1
Aug
2008

27.07.08

27.07.08



Auf der Suche nach den Frauen der Revolution fällt als gemeinsamer Nenner vor allem das Schafott ins Auge. Olympe de Gouges, Madame Roland, Lucille Desmoulins, Charlotte Corday, Madame de Condorcet, Madame Bouquey wurden alle auf dem Schafott hingerichtet. Die Enthauptung wurde auf öffentlichen Plätzen vollzogen. Der öffentliche Charakter sollte das Volk abschrecken, Verbrechen zu begehen, die Autorität der Regierung demonstrieren und gleichzeitig eine Art Unterhaltung für die breite Masse sein. Schaffotieren war ein wichtiges Ritual zur Abschreckung von unerwünschtem Verhalten und zur Demonstration von Macht.
Rituale der Macht hatten während der französischen Revolution noch eine ungleich größere Bedeutung für die Menschen als heute. Rituale waren wie dramatische Schauspiele, die wie auf einer Bühne vollzogen wurden, feierlich herausgehoben aus dem alltäglichen Leben, zur Demonstration von Macht, zur Erbauung und Erziehung des Volkes. Rituale inszenierten die Ordnung der Gesellschaft, bekräftigten die Zusammengehörigkeit der Mitglieder einer Gesellschaft und begründeten Rechte und Pflichten. Während der Transformation von höfischer zur bürgerlichen Gesellschaft, veränderten sich auch die Formen der Rituale. Die Französischen Revolution erschuf eine neue politische Kultur, die sich in neuen Ritualen und Symbolen ausdrückte. Die Revolution musste die alten Zeichen entmachten und die neuen politischen Werte in neuen Symbolen und Zeichen kommunizieren. Traditionelle Formen wurden umgedeutet, in andere Kontexte gestellt, dekonstruiert. Die dominanten Ideen wurden in äußeren Zeichen transportiert. Überall, vom Plakat bis zur Kleidung, vom Monument bis zur Nippesfigur wurden revolutionäre Zeichen appliziert. In Stoffe, Ornamente, Intarsien, Geschirr wurden die Zeichen hineingewebt. Die neuen Symbole sorgten für die Verbreitung der neuen Werte, erstmals konnten die Bürger am politischen Geschehen Anteil nehmen. Plakate, Affiches, unzählige Zeitschriften und Zeitungen, Karikaturen überfluteten die bis dahin vom politischen Geschehen mehr oder weniger ausgegrenzte Öffentlichkeit und motivierten die Bürger lesen zu lernen und Anteil am politischen Leben zu nehmen. Die Kokarde, in den Farben der Stadt Paris, blau und rot (später kam weiß, die Farbe des Königs dazu), wurde sehr schnell zum Erkennungszeichen. Nach dem Sturm auf die Bastille fand sie eine breite Anhängerschaft bei weiten Teilen der Bevölkerung, sie wurde zum Erkennungszeichen einer revolutionären Gesinnung.
Die Symbolsprache der Revolution griff auf antike, aber auch christliche Traditionen zurück. Die altrömische Republik bot sich den Republikanern als Ideal an, Rutenbündel (Zeichen der republikanischen Einheit und Strafgewalt), Eichenlaub (militärisches Ehrenzeichen), die phrygische Mütze (Sinnbild für Befreiung), wurden in die politische Zeichensprache übernommen.
Die französische Revolution bedeutete auch einen Einschnitt in die Geschichte des Körpers und die Wahrnehmung der Körpergrenzen. Die Antike, die das Ideal eines Körpers in geschlossenen Grenzen sieht, wird verherrlicht. Die Geschlechterdifferenz wird verwissenschaftlicht. Der männliche Körper erhält repräsentative Bedeutung als Verkörperung universeller, menschlicher Werte. Frauen werden aus der modernen Demokratie ausgeschlossen, sämtliche Gleichheitspostulate bleiben ungehört. Anstelle von Standesunterschieden wird im Übergang von der höfischen zur bürgerlichen Gesellschaft, Geschlechtsdifferenz zur grundlegenden gesellschaftlichen Differenz.

Selten trifft der Flaneur (die Flaneuse) auf Spuren der Frauen der Französischen Revolution im heutigen Paris, obwohl ein gewisses Bemühen in diese Richtung bemerkbar ist. Wurde Olympe de Gouges, wie bereits oben erwähnt, bis vor wenigen Jahren noch ignoriert, so gibt es heute einen Platz, der nach ihr benannt ist, eine Gedenktafel vor einer ihrer Wohnungen in der Rue Saint Honorè, Segolene Royal versprach sogar, wäre sie gewählt worden, sie pantheonisieren zu lassen. Es gibt Tafeln, die an die Häuser der Kindheit von Madame Roland und von Lucille Demoulins erinnern. Gibt man in eine der Suchmaschinen die Namen von Olympe de Gouges oder Madame Roland ein, findet man innerhalb weniger Sekunden bis zu 290000 Einträge, was Anlass zu der Hoffnung gibt, dass die Verdienste der Frauen nie wieder in Vergessenheit geraten können.
Das 18. Jahrhundert war durch die Ideen der Aufklärung, der Vernunft, sowie die Idee der Freiheit geprägt. Wie bereits Jules Michelet in „Die Frauen der Französischen Revolution“ bemerkte, fällt auf, wie sehr diese von Vernunft, Wissenschaft und Ratio bestimmte Gesellschaft aber auch von außerordentlicher Leidenschaft und Gefühl beherrscht wird. Michelet meinte, dass weder vorher noch nachher mehr geliebt wurde, man liebte die Freiheit, die Liebe, die Frauen, das Vaterland, die Menschheit. Michelet schlussfolgerte, dass Frauen zu dieser Zeit deshalb einen so großen Einfluss besaßen, weil sie durch die Intensität ihrer Gefühle, ihrer Leidenschaften und durch die Überlegenheit ihrer Initiative eine wichtige Rolle einnahmen. Er beschrieb Theroigne de Mèricourt als leidenschaftliche, heroische Schönheit, die im roten Seidenrock, mit großem Säbel auftrat, eine Königin von Saba, die zwischen Danton und Marat die Rednerbühne betrat und von ihnen forderte: „wenn ihr wirklich Salomone seid, müsst ihr es beweisen,, ihr müsst den Tempel bauen, den Tempel der Freiheit, den Palast der Nationalversammlung. Uns ihr müsst ihn auf dem Platz erbauen, wo die Bastille stand.“ ( Seite 100) Michelet beschrieb auch Madame de Condorcet, wie auch Madame Roland als Lichtgestalten, als Engel der Revolution, ebenso schön wie intelligent und außerdem moralisch untadelig, ihren Ehemännern treu dienende Ehefrauen. Olympe de Gouges hingegen kam bei Michelet nicht so gut weg. Er bezeichnete sie als Stegreifdichterin, des Lesens und Schreibens nicht mächtig und warf ihr Wankelmütigkeit in ihrer politischen Haltung vor, räumte aber ein, dass Frauen in der Öffentlichkeit viel mehr wagten, als Männer, insbesondere Olympe de Gouges. Selbst Louis Sebastien Mercier beschwor sie, sich etwas zurückzuhalten, da er die Gefahr ahnte, in die sie sich ständig begab. Olympe de Gouges gründete mehrere Frauenvereine, die teilweise großen Einfluss hatten. Der Konvent verbot den Frauen Versammlungen abzuhalten.
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