7
Jul
2008

7. Juli 2008

Den Duft von Paris nach über 30 Jahren wieder eingeatmet, tief in die Lungen eingesogen, der Geruch von Stein und frischem Brot!
Nach dem ersten gestrigen Rundgang habe ich den Eindruck gewonnen, die Stadt hätte sich kaum verändert, das wird wohl daran liegen, dass wir in den historischen Vierteln flanierten.

Da wir an einem Hinweisschild auf einen Wohnort von Madame de Gouges vorbeikamen, möchte ich zuerst auf selbige zurückkommen.
Olympe de Gouges sandte 1791 an die Nationalverfassung der konstitutionellen Monarchie einen radikalen Gegenentwurf einer Erklärung der Menschenrechte. Einer Erklärung, die erstmals von einer feministischen Perspektive betrachtet worden war. Sie fordert in ihrer "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" gleiche Freuen-, Freiheits- und Verfassungsrechte. Sie verlangt eine wirklich neue, egalitäre Verfassung, die Frauen die gleichen Rechte wie Männern zugesteht. Selbst wenn man den zeitlichen Kontext außer Acht lässt handelt es hier um eine wahrhaft revolutionäre Forderung. Sie argumentierte, dass alle Macht den männlichen Bürgern vorbehalten seien, Frauen hingegen recht- und mittellos seien und folglich auch über keinerlei Machtmittel verfügten.
"Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen. gleichermaßen muss ihr das Recht zugestanden werden, eine Rednerbühne zu besteigen...", eine Aussage von Olympe de Gouges, die sich in ihrem Fall nur auf den ersten Teil bezogen, bewahrheitete. Sie wurde am 3. November 1793 hingerichtet.
Selbst in revolutionären Kreisen empörte man sich über die unerhörten Ansprüche dieser Dame. Madame de Stäel verteidigte die gesellschaftlich weit verbreitete Meinung der Rolle der Frauen: " Man tut gut daran, die Frauen von den öffentlichen und bürgerlichen Rechten auszuschließen; nichts ist ihrer natürlichen Bestimmung entggen gesetzter als alles, was sie in den Zustand einer konkurrierenden Beziehung zu dn Männern brächte."
Olympe de Gouges war wie viele Menschen und vor allem Frauen aus nicht adligen sozialen Schichten kaum des Lesens und Schreibens kundig. Sie war Autodidaktin, lernte erst die französische Sprache als sie nach dem Tod ihres Mannes nach Paris übersiedelte. Bis dahin beherrschte sie nur den okzitanischen Dialekt ihrer Heimat. Sie schulte ihren Verstand an literarischen und politischen Schriften und begann selbst Theaterstücke zu schreiben, beziehungsweise ließ sie diese diktieren, da ihre eigenen Schreibkenntnisse mangelhaft waren. 1785 reichte sie ihr erstes Stück, "Zamore et Mirza", ein Stück über die Sklavenproblematik in den Kolonien bei der Comedie Francaise ein, das 1789 tatsächlich zur Aufführung kam und einen Skandal auslöste! Eine Schriftstellerin wagte sich mit einem politisch brisanten Thema in die Öffentlichkeit. Obwohl sie angefeindet und verleumdet wurde, schaffte sie es ihre Werke in drei Bänden herauszugeben. Sie verfasste politische Schriften, in welchen sie aktuelle, soziale Probleme aufgriff und Kontroversen des krisengeschüttelten Ancien Regime kritisierte. Sie schrieb Schmähschriften an Robespierre und Marat und rief die weibliche Bevölkerung zur Rettung des Vaterlands auf. Sie beobachtete und analysierte die turbulenten Begleiterscheinungen der Entstehung der konstitutionellen Monarchie, setzte sich intensiv mit den Missständen und Ungerechtigkeiten auseinander, forderte dass die Ehe abgeschafft werden solle, bzw. die Scheidung eingeführt werden solle. Sie war eine der ersten Theoretikerinnen, die sich Gedanken über Mutter- und Kinderschutz machten.Sie war der Überzeugung, dass ein friedliches Zusammenleben nur durch soziale Gerechtigkeit möglich sei.
Hannelore Schröder beschreibt in ihrer Arbeit "Olympe de Gouges, Mensch und Bürgerin. (Aachen 1995), ausführlich, dass die französische Regierung auch zweihundert Jahre nach der Ermordung von Olympe, Zweifel an der Sinnhaftigkeit ihrer Rehabilitierung hegten. Der Präfekt von Paris verweigerte der Olympe de Gouges Stiftung noch 1997, am Todestag von de Gouges am Ort der Guillotine, Place de la Concorde, einen Kranz niederzulegen. Die Ermordete durfte damals noch nicht geehrt werden. Schröder erwähnt dabei, dass auf dem Briefkopf des Präfekten, "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", stand!
Schmale - 7. Jul, 20:49

Schmale

Wäre das ein Ansatz, die Orte in Paris, an denen Olympe de G. wirkte, aufzunehmen, auch unter dem Gesichtspunkt, welcher heute wieder "sichtbar" ist (Plakette, Tafel, histor. Erläuterung wie in der rue St-Honoré N° 270) bzw .ich sichtbar ist (Concorde). Vergleiche mit anderen Frauen der Rev. wären denkbar, wie sind diese heute sichtbar? Etc. ...

dietaeder - 8. Jul, 12:12

Danke für den Hinweis, ich werde dem nachgehen. Nichts weiß ich über andere Frauen der Revolution, on verra.
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