17
Aug
2008

03.August 08

Zwischen Place des Vosges und Place Vendôme, ebenso räumlich wie zeitlich betrachtet, liegt ein dritter Freiraum, der Innenhof des Palais Royal. Von diesem Riesenbau, den Kardinal Richelieu sich selbst in nächster Nähe des Königsschlosses errichtete, ist nur eine Galerie an der Ostseite erhalten. Der Rest fiel im Jahre 1871 dem Aufstand der Kommune zum Opfer und wurde danach recht und schlecht rekonstruiert.
Kardinal Richelieu erbaute das ursprünglich Palais Cardinal genannte Palais Royal als Wohnhaus. Die alten Stadtmauern, die Karl V. erbaut hatte, wurden geschliffen, der mächtige Minister Richelieu ließ sich ein großes Areal zuteilen, kaufte angrenzende Ländereien dazu, die zu einem großen rechteckigen Garten ausgebaut wurden und ließ sich seinen Wohnsitz errichten, gegenüber dem Louvre, in dem der königliche Hof untergebracht war. Von dem ursprünglichen Gebäude ist nur mehr eine Galerie vorhanden, die noch immer von Fachreliefs geschmückt wird, die Schiffsschnäbel und –anker darstellen. Diese sollten an Richelieus einstige Position als Oberintendant der Seefahrt unter Ludwig XIII. erinnern. Nach dem Abbruch der Umwallungen wurde das gesamte Viertel hinter dem Areal des Kardinals erneuert. Erst 1633 wurde das Wohnhaus von dem Architekten Lemercier in einen prunkvollen Palast umgebaut, der Stilmerkmale des Barock, aber auch Palladios und der Renaissance aufwies. Das ursprüngliche Gebäude stand an dem Ort, an dem heute der Conseil d`Etat untergebracht ist. Der Garten wurde von Desgots, dem königlichen Gärtner, zur größten Gartenanlage in Paris gestaltet. Im Westen des Palastes wurde eine große Straße angelegt, die nach Richelieu benannt wurde. 1641 wurde innerhalb des Palastes ein Theatersaal eröffnet, der zum Schauspielhaus Molieres werden sollte.
Der Kardinal vermachte das Palais bereits vor seinem Tode Ludwig XIII, nach dessen Tod bezog Anna von Österreich mit ihrem kleinen Sohn Ludwig XIV. selbiges. Da die Sicherheit der königlichen Familie während der Aufstände der Fronde nicht ausreichend gewährleistet war, übersiedelte Anna von Österreich in den Louvre. Ludwig XIV. vermachte das Palais seinem Bruder, dem Herzog von Orleans und dessen männlicher Nachfolge.
Mit dem Bau von Versailles verlor das Palais vorerst seine Bedeutung und ging in den Besitz der Herzöge von Orleans. Philippe II. d`Orleans ergriff für den minderjährigen Ludwig XV. für acht Jahre lang die Macht. Er bewohnte das Palais, das für seine sehr große Kunstsammlung berühmt war, und gab legendäre Abendgesellschaften. Er ließ die Inneneinrichtung im Geschmack der Zeit kostspielig und prachtvoll erneuern und frönte nächtens seinen Lastern. Der Ruf von Liberalität, Libertinität und Verschwendung blieb bis nach dem Tod des Regenten am Palais Royal haften.
Philippe, Herzog von Chartres, der sich später Philippe Egalitè nennen wird, gestaltete das Palais nochmals radikal um. Durch seine liberale Einstellung wurde das Palais einer öffentlichen Nutzung zugeführt. Er spielte eine wichtige Rolle in der Revolution. Da er einen sehr verschwenderischen und aufwändigen Lebenswandel führte, litt er unter permanter Geldnot. Aus dieser Not entstand die Idee, die Anlage durch Verpachtung wirtschaftlich zu vermarkten. Galerien wurden angelegt, der Garten zum großen Teil abgeholzt und stark verändert. Er ließ eine große Häuserzeile für Pächter anlegen, in deren Untergeschoßen Geschäftslokale Platz fanden, während die Obergeschoße zu Wohnzwecken verwendet wurden.
Der Park des Palais Royal wurde öffentlich zugänglich gemacht und sowohl von der Aristokratie, wie von den Bürgern, als auch vom einfachen Volk frequentiert. Er wurde zum Treffpunkt der Künstler, der leichten Mädchen, der Intellektuellen. Die Polizei hatte keinen Zugang zum herzöglichen Terrain, was zur Freizügigkeit der Sitten beitrug. Das Palais Royal wurde „..für ein halbes Jahrhundert so etwas wie die Agora, das Forum von Paris“ ( Hazan, S 32) und sein Ruhm verbreitete sich über ganz Europa.
„Und nun erfüllte dieser Innenhof, der die meisten Pariser Plätze räumlich weit übertrifft, die Funktion des ursprünglichen Stadtplatzes mit überraschender Vollkommenheit. In den hier untergebrachten Clubs, Spiel- und Kaffeehäusern traf sich tout Paris im Gespräch. Die stadtbürgerliche Kommunikation funktionierte wie in der besten Zeit. Hier wuchs die Revolution heran, und hier brach sie aus. Hier warteten die großen Akteure von Frankreichs Geschichte auf die Minute ihres Auftritts.“ ( Denise Engel, Das Palais Royal in der Französischen Revolution).
Das Palais wurde zu einer kleinen luxuriösen Stadt innerhalb der großen Stadt. Ein Tempel der Wolllust, aus dem die Tugend vertrieben worden war. Ein Vergnügungslokal, das auf höchst anmutige Art und Weise moralisch verkommen war (Hazan, S 33). Die Zahl der Klubs nahm zu, das Palais wurde zum Versammlungsort und Freiheitsraum der Bürger während der großen Revolution. Es trafen sich in den verschiedenen Klubs sowohl Revolutionäre, als auch Royalisten, und Republikaner.

Das berühmte Cafe de Foy war ein bekannter Treffpunkt, in dem revolutionäre Ideen diskutiert wurden. Camille Desmoulins hielt dort seine berühmte Rede, die zum Sturm auf die Bastille führen sollte.
Philippe Egalitè, der Mitglied des Konvents war, wurde später am Schafott hingerichtet.

1830 bestieg Louis-Philippe, der Sohn Philippe-Egalitès den Thron und nahm sich des Palais an. Er ließ es restaurieren. Eine neue Säulengalerie wurde im Süden angebaut. 1837 wurden die Spielhöllen verboten und die Prostitution untersagt. Damit endete die freizügige und ausschweifende Ära des Palais Royal.
1871 versuchte die Kommune sich der Bauten zu bemächtigen. Der Pavillon de Valois und die Ostseite wurden ein Opfer der Flammen.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts befindet sich im östlichen Flügel des Palastes der Conseil d`Etat. Der Garten ist heute eine Oase der Ruhe und des Friedens inmitten der großstädtischen Hektik.
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